Folge 34: Ein Blick in die Statistik der Bundesärztekammer
Shownotes
Jedes Jahr im Mai gibt die Bundesärztekammer ihre Ärztestatistik heraus. Darin finden sich aktuelle Zahlen rund um die Entwicklungen in der Ärzteschaft. Und für uns von ÄRZTESTELLEN sind solche Zahlen natürlich Gold wert – aber auch alle, die Ärztinnen und Ärzte einstellen wollen, sollten sich mit diesem Thema beschäftigen.
Deshalb hat sich unser ÄRZTESTELLEN-Recruiting-Experte Konstantin Degner die Statistik vorgenommen und spricht in dieser Folge über drei langfristige Entwicklungen, die sich aus den Zahlen ablesen lassen: Die Ärzteschaft in Deutschland wird älter, weiblicher und internationaler. Was das mit dem Ärztemangel zu tun hat und was diese Entwicklungen für Kliniken, Praxen und MVZ bedeuten, darüber spricht er mit ÄRZTESTELLEN-Online-Redakteurin Stefanie Hanke in dieser Folge.
Sie wollen noch tiefer ins Thema eintauchen?
- Mehr zum Thema Frauen im Arztberuf finden Sie in unserer Folge 30: "Gleichstellung – warum viele Ärztinnen am Limit arbeiten" mit einem Interview mit Claudia Nacci, zertifizierte systemische Coachin, Focusing-Beraterin und Autorin der Trendstudie "Ärztinnen im Krankenhaus – Arbeiten am Limit 2023"
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Folge 34: Ein Blick in die Statistik der Bundesärztekammer
Anmoderation
Herzlich willkommen zur nächsten Folge von „Bis der Arzt kommt – dem Recruiting-Podcast von ÄRZTESTELLEN, dem Stellenmarkt des Deutschen Ärzteblatts“. Ich bin Stefanie Hanke, Online-Redakteurin bei Ärztestellen, und heute ist bei mir mal wieder mein Kollege Konstantin Degner zu Gast. Und im Gepäck hat er jede Menge spannende Erkenntnisse rund um die Entwicklung der Ärzteschaft. Dazu hat Konstantin einen Blick in die aktuelle Statistik der Bundesärztekammer geworfen, die im Mai veröffentlicht wurde. Welche Entwicklungen sich aus den Zahlen ablesen lassen und was das für Praxen, Kliniken und MVZ bedeutet, darüber sprechen wir in dieser Folge.
Bis der Arzt kommt: Experten-Talk
Stefanie Hanke: Ja, hallo Konstantin, schön, dass wir zwei heute mal wieder zusammen hier im Podcast-Studio sind. Ich freue mich, dass du mal wieder hier bist und du hast ein spannendes Thema mitgebracht heute.
Konstantin Degner: Ja, schön dich zu sehen, Stefanie. Stimmt, ist ein bisschen her. Das letzte Mal war dann vor gut einem halben Jahr, von daher schön wieder hier zu sein und in meinen Augen ist das ein sehr spannendes Thema.
Stefanie Hanke: Doch, das ist ein spannendes Thema. Ich verrate, was es ist. Du hast mal einen Blick geworfen in die Ärztestatistik der Bundesärztekammer. Die kommt immer ungefähr im Mai. Also im Mai war auch der Deutsche Ärztetag und ungefähr zu dieser Zeit gibt die Ärztekammer ihre Zahlen raus. Ich bin gespannt, was du uns dazu erzählst. Ich stelle mal erstmal eine ganz allgemeine Frage. Wie sieht es denn aus? Wie viele Ärztinnen und Ärzte haben wir denn aktuell in Deutschland?
Konstantin Degner: Gute Nachricht, direkt zu Beginn. Wir haben so viele berufstätige Ärzte in Deutschland wie noch nie. In Zahlen: 428.000. Die Zahl ist nochmal gestiegen zum Vorjahr. Das heißt, wir haben 428.000 Ärzte, die berufstätig sind.
Stefanie Hanke: Das klingt ja erstmal ganz gut, auch wenn du sagst, es sind so viele wie noch nie. Um sich das mal ein bisschen ins Verhältnis zu setzen, kannst du sagen ungefähr, wie wir im internationalen Vergleich dastehen?
Konstantin Degner: Ja, also die WHO veröffentlicht immer Zahlen, die Ärztedichte, also wie viele Ärzte kommen auf 10.000 Einwohner. Und hier sind wir im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hoch. Also wir sind auch vor Ländern wie Finnland, Dänemark, Schweiz. Gut, es gibt auch einige, die sind vor uns. In Monaco scheint es sich anscheinend zu lohnen, Arzt zu sein. Aber insgesamt kann man sagen, im internationalen Vergleich stehen wir gut da, was die Ärztedichte angeht.
Stefanie Hanke: Das klingt ja erstmal ziemlich gut, wenn ich das so höre. Aber trotzdem machen ja viele die Erfahrung: Ärztemangel. Das ist ja jetzt nicht nur so ein Gespenst, sondern der Ärztemangel ist real, wenn wir an Kliniken denken, die Stellen nicht besetzen können. Wenn wir an Patientinnen und Patienten denken, die ewig brauchen, um einen Facharzttermin zu kriegen. Wie passt das zusammen?
Konstantin Degner: Ja, also das Thema Ärztemangel, das ist ein bisschen komplex. Und dieser Mangel scheint so paradox. Und ich glaube, wir müssen uns so ein bisschen unterscheiden. Also zum einen, wenn Kliniken eine gewisse Position nicht besetzen können oder ich auch einen Facharzttermin nicht bekomme. Wir haben das Thema der Fehlverteilung. Also wenn ich jetzt hier aus unserem Tonstudio rausgehe, mach mich lang und dehne mir irgendwie zwei, drei Bänder, dann kann ich mir noch überlegen, zu welcher Klinik hier in Köln will ich humpeln? Der Weg wäre auch gar nicht so weit, das würde ich noch hinkriegen. Würden wir jetzt irgendwo im tiefsten Bayerischen Wald oder irgendwo in Mecklenburg-Vorpommern sitzen, sähe das schon anders aus. Also dann könnte ich da nicht mehr zu Fuß hingehen. Aber das zeigt halt schon die Thematik, dass wir einfach eine Fehlverteilung haben. Also viele Ärzte sind eben in Ballungsgebieten weniger im ländlichen Raum. Hinzu kommt, dass halt auch gerade das Thema Ärztemangel dann im Alltag eintritt, wenn so diese berühmte Frage gestellt wird, wenn ich beim Arzt anrufe: „Sind Sie Privat- oder Kassenpatient?“ Und ich glaube, Privatpatienten spüren den Arztmangel nicht so. Da ist eher die Frage: „Wollen Sie heute Nachmittag schon kommen oder morgen früh?“ Deshalb kommt es halt auch darauf an, in welcher Situation sich man bewegt. Wo wohne ich? Wie bin ich versichert? Dann sind das so Faktoren, die diesen Ärztemangel vielleicht in dem einen Moment irgendwie spürbarer machen, als bei jemand anderem. Hinzu kommen aber eben halt auch noch so ein paar andere Faktoren und Rädchen, die so ineinandergreifen. Das eine ist der demografische Wandel, da würde ich gleich nochmal gesondert drauf eingehen, aber der spielt einfach eine große Rolle. Hinzu kommt, und das auch eben dann gerade, wenn man so ein bisschen in die Zukunft schaut, also es gibt Schätzungen vom Zentralinstitut für Kassenärztliche Versorgung, die sagen, dass so 2040 30.000 bis 50.000 Ärzte fehlen werden. Das ist eine enorm hohe Zahl. Und warum ist das so? Zum einen haben wir begrenzte Ausbildungskapazitäten in Deutschland. Also die Anzahl der Studienplätze in Deutschland sind rund um die 12.000. Die sind gestiegen im Vergleich zu den letzten Jahren, das ist sehr, sehr gut. Wir liegen aber immer noch unter den Zahlen der 80er. Da waren wir bei 14.000 Studienplätzen. Hinzu kommt, auch immer weniger Menschen entscheiden sich für den Arztberuf. Also die machen vielleicht das Medizinstudium, gehen aber dann in andere Jobs rein, weil halt einfach das Image gerade vom Arztberuf nicht so gut ist, und auch Thema Work-Life-Balance. Dann die ganze Bürokratie, eine mangelnde Digitalisierung. Also gerade viele Klinikärzte schimpfen ja auch immer, dass sie sehr, sehr viel mit der Dokumentation verbringen, anstatt eben am und mit den Patienten arbeiten. Und das sind so Faktoren, die dann auch einfach ineinandergreifen, die halt dann dafür sorgen, dass diese Lücke immer größer wird.
Stefanie Hanke: Ja, spannend. Ich greife mal ein Thema auf, was du gerade schon angesprochen hast, der demografische Wandel. Die Ärztinnen und Ärzte werden immer älter, die Patientinnen und Patienten werden auch immer älter. Erzähl mal, was gibt die Statistik dazu her?
Konstantin Degner: Ja, das ist ein spannender Punkt. Und ich probiere es mal, in so drei Aussagen mit Zahlen wiederzugeben. Und dann soll jeder für sich mal seine Aussage da rauspacken, die für ihn am besten greifbar ist. Aussage eins: Nur jeder fünfte Arzt in Deutschland ist jünger als 35 Jahre. Nicht gerade viel. Aussage zwei: Die Anzahl der Ärzte und Ärztinnen im mittleren Alter, die ist gesunken innerhalb von zehn Jahren um sechs Prozentpunkte und liegt nur noch bei 48 Prozent. Und die dritte Aussage: Fast ein Viertel der berufstätigen Ärzte in Deutschland ist 60 Jahre oder älter. Und wenn man diese Latte noch ein bisschen weiter runterlegt, also sagt, okay, jetzt gehen wir nicht die 60 Jahre, sondern schauen uns mal so die Grenze ab 55 an, dann wird es noch drastischer. Weil jeder dritte Arzt in Deutschland ist über 55 Jahre alt.
Stefanie Hanke: Das ist wirklich drastisch, wenn man sich überlegt, die sind alle schon irgendwie in der Nähe, jetzt wo sie mal über ihren Ruhestand nachdenken und fehlen entsprechend dann im System. Was bedeutet das für Kliniken, für Praxen, für MVZ, also für alle Institutionen, wo diese Leute eigentlich arbeiten sollten?
Konstantin Degner: Ja, dass ich mir halt Gedanken machen muss zum Erhalt der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit der Ärzte. Also was kann ich dazu als Einrichtung beitragen? Und da reden wir halt über spezielle Programme zur Gesundheitsförderung und zur Unterstützung für die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit. Dann sprechen wir auch über die Themen Barrierearmut beziehungsweise -freiheit. Das wird einfach an Bedeutung gewinnen. Also was meine ich damit? Das ist zum einen intuitive Nutzbarkeit von digitalen Anwendungen jeglicher Art, die in Zukunft ja auch steigen wird, Stichwort KI. Dann auch altersgerechte Anpassung von Praxisräumen. Ja, also auch ein Thema. Dann muss ja diese berufliche Tätigkeit so lange wie möglich Spaß machen. Also wenn sie schon älter werden und auch länger arbeiten, muss diese Tätigkeit Spaß machen. Das heißt, ich muss diese Pain Points, die wir schon angesprochen haben, Bürokratie, zu wenig Digitalisierung, einfach abbauen. Also nicht funktionierende IT-Technik, das sind Themen, mit denen man sich dann einfach beschäftigen muss. Dann Teilzeitstellen, flexible Arbeitszeiten, Möglichkeiten zum Homeoffice können halt einfach älteren Ärzten dabei helfen, sage ich mal, Arbeit und persönliche Bedürfnisse und auch Gesundheitsanforderungen besser miteinander zu vereinbaren. Stichwort sind wir hier bei flexiblen Arbeitszeitmodellen. Dann so Neugestaltung von Karrierefaden. Das sind so Sachen, über die man sich da einfach Gedanken machen muss. Also man hat ja verschiedene Phasen der Arbeitsintensität. Also unabhängig jetzt, ob ich jetzt Arzt bin oder irgendeinem ganz anderen Beruf nachgehe, ist wahrscheinlich damit die Power, die ich bringe mit 60, wahrscheinlich so ein bisschen eine andere, als die, die ich mit Mitte 40 einbringe. Aber dass man sich halt darüber Gedanken macht, über diese verschiedenen Phasen der Arbeitsintensität und Verantwortung. Und das heißt einfach, so eine nachhaltige Karriereplanung macht. Und dann sind wir auch im Stichwort Thema Karriereberatung. Kann ich als Einrichtung eine Karriereberatung bereitstellen, um halt älteren Ärzten zu helfen, sage ich mal, ihre berufliche Laufbahn auch besser zu planen? Gegebenenfalls halt auch neue Rollen zu finden, innerhalb oder außerhalb der klinischen Praxis. Wie kann ich sie besser einbinden? Und das sind einfach so ein paar Gedanken, Impulse, Themen, die mit dem demografischen Wandel einfach einherschwingen, mit Blick auf die Ärzteschaft.
Stefanie Hanke: Mir fällt dazu noch ein anderer Bereich ein, wo sich die Ärzteschaft verändert. Das ist das Gleichgewicht zwischen Männern und Frauen. Es sind ja inzwischen zwei Drittel der Studierenden weiblich. Das heißt, es ist absehbar, dass auch die Ärzteschaft immer weiblicher wird. Darüber reden wir seit Jahren. Wie sieht es da aus?
Konstantin Degner: Ja, absolut richtig. Also man kann sagen, der Frauenanteil wächst. Punkt. Wenn wir uns die Entwicklung anschauen von 2013 zu 2023, ist der Frauenanteil da deutlich gewachsen. Also die Anzahl der berufstätigen Ärztinnen hat zugenommen um knapp 32 Prozent. Und wenn man dann mal schaut auf die Gesamtanzahl der berufstätigen Ärzte, sind 49,5 Prozent der berufstätigen Ärzte Frauen. Also die Männer noch knapp vorne. Vor zehn Jahren war der Anteil noch bei 45 Prozent. Jetzt sind wir bei 49,5 Prozent. Ich stelle jetzt mal die steile These auf: Ich vermute, wenn wir uns die Ärztestatistik 2024 anschauen, in einem Jahr, wird der Frauenanteil in der Mehrheit sein.
Stefanie Hanke: Wenn du dir das anguckst, es gibt immer mehr Ärztinnen und es werden vielleicht bald mehr Ärztinnen als Ärzte sein. Ist das denn in allen Fachgebieten gleich oder gibt es da Unterschiede?
Konstantin Degner: Guter Punkt, sehr guter Punkt. Nämlich da gibt es Unterschiede. Denn zum Beispiel Fachgebiete wie Chirurgie und bildgebende Verfahren sind einfach weniger attraktiv für Frauen. Bedeutet aber auch in Summe, dass da Nachwuchsmangel einfach absehbar ist. Wenn du dir die Zahlen anguckst, siehst du, wir werden da ein Thema bekommen. Darüber hinaus gibt es noch andere Fachbereiche, wo der Frauenanteil deutlich stärker ist. Das ist zum Beispiel der Bereich Dermatologie, da sind die Frauen stark vertreten. Aber auch Neurologie, Psychosomatik, Pädiatrie, Psychiatrie und Psychotherapie, aber auch in der Allgemeinmedizin ist der Anteil der Frauen schon über oder deutlich über 50 Prozent.
Stefanie Hanke: Wenn man sich das so anhört, das wird ja genauso wie der demografische Wandel Auswirkungen haben auf Kliniken, auf Praxen, auf MFZ, auf die Arbeitsplätze dieser Frauen. Wie sieht es da aus?
Konstantin Degner: Ja, also wir haben die Situation, also berufsgruppenübergreifend, aber natürlich dann auch bei den Ärzten, dass halt Frauen im Durchschnitt deutlich mehr unbezahlte Care-Arbeit leisten als Männer. Und das führt halt zu einer ungleichen Verteilung, hat einfach eine höhere Gesamtbelastung für Frauen. Und das beeinflusst halt auch, sage ich mal so, die Erwerbstätigkeit negativ. Also das heißt, dieses Gender-Care-Gap erfordert einfach deutlich flexiblere Arbeitszeiten. Also das ist dann nicht nur die Betreuung von Kindern, sondern eben halt auch vielleicht die pflegebedürftigen Eltern. Und heißt in Summe, man hat weniger Arztzeit, was aber auch gleichzeitig eine Chance ist für das Thema Job-Sharing. Und im gleichen Atemzug nicht nur Job-Sharing, sondern nehme ich auch direkt das Top-Sharing. Gläserne Decke, haben wir uns ja auch schon hin und wieder mal mit beschäftigt. Besetzung von Führungspositionen mit weiblichen Ärzten ist einfach immer noch ein Thema. Diese gläserne Decke ist irgendwie, ich würde mal sagen, sie löst sich auf, aber sie ist irgendwie immer noch historisch gewachsen, auch wenn ich diesen Begriff irgendwie blöd finde, aber ist so. Und ist einfach eine Chance für eine andere Führungskultur. Und Top-Sharing, also das Teilen von Führungen, das sind dann alles so Themen, die da so mit oder die einfach eine Chance geben in dem Bereich. Und abschließend noch zwei Punkte. Thema Kinderbetreuung, also auf Kongressen, auf Fortbildungen, ist glaube ich immer noch nicht so Gang und Gäbe, wie es sein sollte. Genauso wie Fortbildungen im Selbstlernformat, Betriebskitas und so weiter. Ich glaube, da haben wir noch großen Nachholbedarf. Und als Schlusspunkt nochmal so die Fragestellung: Ist das generische Maskulinum noch zeitgemäß?
Stefanie Hanke: Das ist eine ganz spannende Frage. Da hatten wir ja neulich erst eine schöne Folge zu mit Claudia Nacci, die dazu eine spannende eigene Studie gemacht hat. Das verlinke ich nochmal sehr, sehr gerne in den Shownotes. Dann gibt es noch eine dritte Entwicklung, die wir sehen, wenn wir in die Ärztestatistik reingucken. Also wir fassen nochmal zusammen, Ärztinnen und Ärzte werden immer älter. Zweitens, die Ärzteschaft wird immer weiblicher und sie wird auch internationaler. Wie sieht es denn da aus? Immer mehr Ärztinnen und Ärzte kommen aus dem Ausland.
Konstantin Degner: Ja, die Ärzteschaft, genau, sie wird weiblicher und sie wird international. Also die Anzahl der berufstätigen ausländischen Ärztinnen und Ärzte in Deutschland ist innerhalb der letzten zehn Jahre um 92 Prozent gestiegen. Wenn wir uns mal den Anteil, also in Bezug auf die Gesamtmenge der berufstätigen Ärzte anschauen, von den 428.000, knapp 15 Prozent hiervon haben einen internationalen Hintergrund, sind ausländische Ärzte.
Stefanie Hanke: Das ist ja eine beeindruckende Zahl, immer mehr. Und wir kommen ja faktisch auch ohne diese ausländischen Ärztinnen und Ärzte gar nicht mehr aus. Von woher kommen die?
Konstantin Degner: Also was wir einfach sehen, dass globale Konflikte und Krisen einfach Anlass für Migration sind. Und das sehen wir auch, wenn wir uns die Top 10 der Herkunftsländer anschauen, aus denen die Ärztinnen und Ärzte zu uns kommen. Da ist Syrien auf Platz 1. Wir haben ja natürlich auch steigende Bewerberzahlen von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine. Also die Ukraine ist auf Platz 7. Und seit rund anderthalb Jahren haben wir auch einen großen Anstieg aus der Türkei. Ja, so eine verbreitete Unzufriedenheit mit der politischen, aber auch mit der wirtschaftlichen Lage in dem Land können halt Grund sein für eine höhere Migration. Und einfach der Tatsache geschuldet, dass halt mehr Ärztinnen und Ärzte aus der Türkei zu uns kommen. Und wenn man sich das eben halt auch mal anschaut, unsere Welt drumherum, glaube ich, die globalen Konflikte und Krisen, die werden jetzt nicht alle verschwinden. Das ist einfach eine Gesamtgemengelage. Und die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte aus diesen Ländern wird einfach mehr werden.
Stefanie Hanke: Auch das ist ein Thema, was Kliniken, Praxen, MVZ vor größere Herausforderungen stellt. Was bedeutet das für diese Einrichtungen?
Konstantin Degner: Was ja dann automatisch mitkommt, ist das Thema dieser Wunsch nach Familienzusammenführung und Heimweh. Das sind halt so mit die bedeutendsten Faktoren, die Lebensqualität, aber auch Arbeitszufriedenheit von den ausländischen Ärzten beeinflussen. Das heißt, da muss man sich Gedanken machen, wie unterstützt man Ärztinnen und Ärzte, solange die Situation noch da ist, dass die Familie eben halt noch nicht hier ist? Was habe ich da für ein Angebot? Kann ich es auch unterstützen irgendwie außerhalb der Klinik, bei der deutschen Bürokratie und so weiter? Dann haben wir das Thema Sprachbarrieren. Im Team, aber auch mit Patienten. Und so die interkulturelle Kommunikation, also einfach ein höheres Risiko von Behandlungsfehlern durch Missverständnisse. Heißt auf der anderen Seite, Sprachkurse, interkulturelles Kommunikationstraining sollten obligatorisch sein. Und auch Dolmetscher, kulturelle Mediatoren kann man einsetzen, um Missverständnisse zu minimieren und die Kommunikation zwischen den Ärzten untereinander, aber auch mit den Patienten zu verbessern. Dann Scham bei gegengeschlechtlichen Untersuchungen kann gegebenenfalls ausgeprägter sein. Das heißt bewusst „kann“. Aber wenn ich jetzt mal das Beispiel nehme, meine Mutter, die geht auf die 80 zu. Ich nehme jetzt mal den Besuch beim Hautarzt, Dermatologie, wo man in jede Körperöffnung schauen muss, weiß ich für meine Mutter, das ist schon ein Thema. Das ist bei jedem unterschiedlich, aber ist einfach ein Punkt, den man sieht. Dann das Onboarding ins deutsche Gesundheitssystem. Wir haben unterschiedliche Anforderungen in den Bundesländern. Von Form der Beglaubigung der Unterlagen bis hin zur Wartezeit der Fachsprachprüfung kann das von zwei Monaten bis zu zwölf Monaten dauern. Kann ich das irgendwie unterstützen? Auch, das hatte ich vorhin schon gesagt, mit der deutschen Bürokratie auch außerhalb des Arbeitsplatzes. Was habe ich da für ein Angebot? Dann Weihnachten. Ich glaube, dass man das Weihnachtsfest in jedem Dienstplan berücksichtigt. Es findet nicht unbedingt eine Operation statt, wenn sie nicht unbedingt muss, am 24. oder um die Tage davor und danach. Aber was ist mit den anderen religiösen Festen? Ramadan, Sabbat, orthodoxes Weihnachtsfest. Wie berücksichtige ich das in meinen Planungen? Und zu guter Letzt, wie der letzte Punkt beim Thema Anteil der Frauen. Einfach mal die Frage dahingestellt, die Bildsprache in unseren Medien, die wir nutzen, und da schließe ich uns als Deutschen Ärzteverlag auch mit ein, ist diese Bildsprache noch zeitgemäß? Müssen wir die vielleicht nicht anpassen?
Stefanie Hanke: Dankeschön schon mal für die Zahlen und auch die Interpretation. Wie würdest du das jetzt insgesamt einordnen? Also hast du ein Fazit, was du daraus ziehen kannst, wenn du dir diese Statistik anschaust?
Konstantin Degner: Wenn ich es in einem Satz sage, dann wäre es sorgenvoller Ausblick trotz leichter Erholung. Also man sieht halt, man hat Erholungsanzeichen, die Anzahl der Studienplätze geht nach oben für die Medizin. Wir haben so viele berufstätige Ärzte wie noch nie. Gleichzeitig ist aber halt das Thema Demografie, in der Zukunft deutlich mehr Versorgungsbedarf, dann die alternde Ärzteschaft. Das sind Themen, mit denen wir uns beschäftigen müssen. Dann auch der Rückgang der niedergelassenen Ärzte stellt uns vor große Herausforderungen in Zukunft. Und dann gibt es einfach auch Themen, die wir im System, aber auch als Arbeitgeber, deutlich intensiver behandeln müssen, wie das Thema wachsender Frauenanteil, Internationalität vom Arztberuf. Es gibt noch vieles an Hausaufgaben zu tun, sowohl in den Kliniken, in den Einrichtungen selbst, als aber auch eben von außen, von der Politik, von externen Faktoren, um einfach dafür zu sorgen, dass der Arztberuf, also Arzt und Ärztin sein, einfach wieder attraktiver wird, um halt auch dem demografischen Wandel als auch den ganzen Versorgungsanforderungen gerecht zu werden.
Abmoderation
Danke, Konstantin. Das war es mal wieder mit der aktuellen Folge unseres Podcasts „Bis der Arzt kommt“. Und wenn Ihnen das gefallen hat, dann schauen Sie mal, wir haben noch jede Menge andere Folgen online. Die finden Sie natürlich schneller, wenn Sie unseren Podcast abonnieren. Und wir freuen uns natürlich, wenn Sie auf einem Podcast-Portal Ihrer Wahl eine gute Bewertung dalassen. Und wenn Sie Fragen haben, Anregungen oder mit unseren Recruiting-Experten ins Gespräch kommen möchten, dann schreiben Sie uns doch einfach. Die Adresse ist podcast@ärztestellen.de
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